Mittwoch, 19. Februar 2025

Differenzierte Gedanken zu einem schwerwiegenden Thema

Zur Suspendierung von Pastor M. aus Ahaus möchte ich folgendes zu bedenken geben:

 

1.     Die Transparenz des Bistums in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs ist grundsätzlich vorbildlich.

 

2.     Es geht vorrangig um den Schutz der Betroffenen. Diese brauchen unsere Solidarität und Unterstützung, weil sie oft ein Leben lang leiden.

 

3.     Es war in unserem Bistum vereinbart worden, dass ein leitender Pfarrer bei der Investitur (Amtsübergabe) durch den Generalvikar informiert werden soll, falls es in seinem zukünftigen Pastoralteam Missbrauchsvorwürfe gegen eine Kollegin oder einen Kollegen gibt. Die Investituren für meine drei Pfarreien waren 2019 und 2022. Dabei habe ich jeweils eigens nachgefragt, ob etwaige Vorwürfe vorliegen. Dieses wurde verneint. Erst heute folgte die Begründung dafür: Die entsprechenden Verfahren waren noch nicht abgeschlossen. Es wäre dennoch allein für die Auswahl der pastoralen Arbeitsfelder hilfreich gewesen, von den Vorwürfen und Verfahren in Kenntnis gesetzt worden zu sein.

 

4.     Die Pressemitteilung des Bistums ist verwirrend und von daher vernichtend. Es ist nachvollziehbar, dass man aufgrund des Personenschutzes keine weiteren Einzelheiten nennen möchte. Dennoch wäre es sinnvoll gewesen, genauer zu differenzieren, allein um den Eindruck zu vermeiden, es handle sich um einen Pädophilen. Denn dies ist laut Aussage der Staatsanwaltschaft nicht der Fall. Die Pressemitteilung des Bistums öffnet weiteren Phantasien und Spekulationen Tor und Tür und schafft damit eine noch größere Verunsicherung.

 

5.     Bei allem Respekt vor der Präventionsarbeit des Bistums, der sich verändernden Haltung und den Institutionellen Schutzkonzepten, die auf Pfarreiebene erarbeitet worden sind, muss ich sagen: Die wirklich systemischen Ursachen des Missbrauchs (persönliche Unreife, Pflichtzölibat, klerikale Seilschaften, traumatisierende Binnenwelt des Priesterseminars) sind weltweit noch nicht angegangen worden. Die angekündigte Synodalität ist bisher nur ein frommer Wunsch.

 

6.     Insbesondere Pflichtzölibat und Klerikalismus spielen eine große Rolle. Durch den Zölibat wird niemand übergriffig. Aber aufgrund des Zölibats kommen leider auch Menschen ins Amt, die nicht beziehungsfähig sind oder Probleme mit ihrer Sexualität haben. Durch den Klerikalismus werden Strukturen aufrechterhalten, die Machtmissbrauch begünstigen.

 

7.     Solange diese strukturellen Ursachen nicht beseitigt sind, bleibt jeder Einzeltäter – bei aller gebotenen Transparenz, bei aller Priorisierung der Betroffenen, bei allem guten Willen – letztendlich doch auch sowohl Opfer als auch Profiteuer des Systems. Dieses System ist krank und es macht krank. Die katholische Kirche bedarf einer grundlegenden Reform.

 

Ahaus, 19. Februar 2025

Pfarrer Stefan Jürgens