Dienstag, 24. März 2020

Kleine Gebetsschule VIII: Den Himmel bestürmen?

Worum können wir bitten? Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, am Mittwoch um 12 Uhr ein Vaterunser zu beten. Wegen Corona. In den „Tagen der Prüfung“ sollen wir „unsere Stimmen zum Himmel vereinen“, so der Papst. Und am Freitag gibt es „Urbi et Orbi“ mit vollkommenem Ablass. Das volle katholische Programm, um den Himmel zu bestürmen? Auf jeden Fall ist es eine Möglichkeit, im Glauben Solidarität zu zeigen.

Denn das Bittgebet ist das einfachste und zugleich schwierigste Gebet. Es ist einfach, weil ich genau weiß, was mir fehlt. Es ist schwierig, weil ich Gott nicht zum Lückenbüßer, zum Erfüllungsgehilfen meiner privaten Interessen machen darf. Im antiken Theater gab es einen, der hatte „Gott“ zu spielen, wenn eine Situation unlösbar schien; dieser „Gott“ kam überraschend und ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Handlung aus der Kulisse hervor, sagte ein Wort oder machte ein Zeichen und verschwand dann wieder. Von daher nannte man ihn den „deus ex machina“ – einen „Gott aus der (Theater)Maschine“. Viele Menschen machen auch aus dem Gott Jesu Christi einen solchen „deus ex machina“, und zwar immer dann, wenn er nur helfen, aber nichts ändern soll; wenn er vorübergehend eingreifen und Wünsche erfüllen, aber zum eigentlichen Leben nichts beitragen darf; wenn man ihn beziehungslos, wie eine Maschine benutzt, ohne ihn zu lieben. Ein solcher „Gott“ ist gefährlich harmlos!

Kennzeichnend für einen „modernen“ und „aufgeklärten“ Glauben ist ja der Perspektivwechsel, den Karl Rahner „anthropologische Wende“ nennt: Jede Aussage über Gott ist zunächst eine Aussage von und damit über Menschen. Unsere Rede von Gott ist analog, bildlich in menschlichen Vorstellungen, abhängig von Erfahrungen mit Ihm und miteinander. Wenn ich in diesem „modernen“ Sinn über das Bittgebet nachdenke, so ist die entscheidende Frage nicht: „Was bewirkt mein Gebet bei Gott?“, sondern: „Was bewirkt es bei mir?“ Gebete verändern nicht die Welt, aber sie verändern die Menschen, und Menschen verändern die Welt.

Worum also darf ich bitten? Um einen Lottogewinn? Um eine siegreiche Schlacht oder einen Karrieresprung? Um Regen, Blitzschutz? Um das Bestehen einer Prüfung? Viele bitten um Gesundheit und langes Leben. Wie steht es mit der Solidarität? Unlauter ist jedes Gebet auf Kosten anderer, menschlich sehr verständlich ist jedoch der Hilfeschrei aus tiefer Not. Auf jeden Fall gilt: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der deine“ (vgl. Lukas 22,42). Bitten darf ich um das, was ich jedem wünsche (Brot, Frieden) und um das, was ich selbst zu geben bereit bin (Vergebung), um die richtige innere Haltung („Mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“) sowie um das, was nur Gott allein geben kann (ewiges Leben).

Wenn ich die Frage stelle, ob man Gott eigentlich alles sagen darf, so antworten die meisten Menschen: ja. Ich bin da anderer Meinung. Überall da, wo man Gott nur benutzt, wo er zum Glücksautomaten „ex machina“ wird, wo das Gebet zur magischen Beschwörung, zum Ersatz eigenverantwortlichen Handelns verkommt oder göttliches Benehmen vorschreibt, da wird der Name Gottes missbraucht.


BETEN UND BITTEN


Gott lässt bitten – 
und wir sind gekommen!

Meistens kommen wir mit einer großen Portion Bitte
und einer kleinen Prise Dank.
Beten ist meistens Bitten, schon etymologisch.
Der unaufgeklärte Mensch bittet, wenn er betet.

Was macht Gott mit unseren Bitten?
Er macht uns dankbar.
Im Bitten spüren wir, dass wir die Empfänger sind – und nicht die Macher.

Bitten ist nicht Information Gottes.
Bitten hält uns selbst in Form.
Wir erkennen, dass alles Gute von Gott kommt.

Darum sollen wir bitten: 
dass Gottes Verheißungen in Erfüllung gehen 
und Sein Wille geschieht.

Wenn wir das tun,
werden wir dankbar – und am Ende wunschlos glücklich.

In einer reifen Gottesbeziehung wird aus Bitten Beten.
Und wenn Gottes Verheißungen im Blick sind, 
wird das Beten zum Lobpreis, zum Gebet.


Bis morgen!
Stefan Jürgens