Donnerstag, 26. März 2020

Kleine Gebetsschule XI: Beziehung im Heiligen Geist

Es gibt im Neuen Testament einige Gebetsschulen (vgl. Matthäus 6,5-15; 7,7-11; Lukas 11,1-4). Jesus fordert seine Jünger auf, zu beten in Seinem Namen, Gott jede Bitte offen und vertrauensvoll zu sagen (vgl. Matthäus 18,19; Johannes 14,13-14; 15,7.16.24) und dabei gewiss zu sein, dass Gott hört und erhört um Jesu und der Gemeinschaft der Jünger willen.

Sogar das schier Unmögliche scheint möglich zu werden: Mit dem Glauben Berge zu versetzen (vgl. Markus 11,12-25; Matthäus 21,18-22): Der „Berg“ steht dabei (wie der Feigenbaum) für den Tempelkult, der eben nichts mehr bringt, weil Jesus selbst der der einzige und wahre Zugang zum Vater ist. Mit dem „Berg“, den der Glaube versetzen kann, ist dann der Tempelberg in Jerusalem gemeint, den der Glaube ins Meer stürzt; es ist ja der „Berg der Religion“, der durch Christus längst überwunden ist. Hier geht es also nicht um die Zauberkraft, Berge zu versetzen, sondern um die Einladung zu glauben! Jesus hält seinen Vater nicht für einen wundertätigen Wünscheerfüller, den man benutzen kann, sondern für einen Gott, dem man vertrauen darf; ein Gott, der nicht bloß Bitten erfüllt, sondern erfüllende Beziehung schenkt.

Es ist wie mit einem Kind, das zu Weihnachten einen langen Wunschzettel schreibt. All die vielen Wünsche sind detailgetreu aufgelistet. Die Eltern lesen den Zettel, aber weil sie sehr arm sind, sagen sie zu ihrem Kind: „Du weißt, dass wir dir deine Wünsche nicht erfüllen können. Aber wir sind doch immer bei dir und haben dich lieb. Ist das nicht viel mehr?“ Und das Kind antwortet voller Einsicht und Freude: „Ja!“

Der lange Wunschzettel ist ein Zeichen kindlichen Vertrauens. Doch das, was die Eltern geben können, ist viel mehr: Beziehung und Liebe. Gott hört alle unsere Wünsche gern, sie sind ein Zeichen kindlichen Vertrauens. Es wäre jedoch grausam, wenn Gott auf alle menschlichen Wünsche, die ihm je entgegen gebracht werden, mit genauer Erfüllung reagieren würde. Dann wäre Er nur ein Automat und die Menschheit bald am Ende. Nein, Gott antwortet mit einer viel größeren Gabe: mit Liebe, Beziehung, mit Seinem Heiligen Geist.

Einen guten Freund um etwas zu bitten ist immer ein Zeichen von Beziehung. Die Freundschaft muss sehr tiefgehend sein, denn im Bitten mache ich mich vor ihm bedürftig und klein. Gott um etwas bitten bedeutet letztlich immer, Beziehung zu wünschen; bedeutet vor allem: Bitten um den Heiligen Geist, die Nähe Gottes in Person, Seine begeisternde und lebendig machende Kraft, Seine schöpferisch-österliche Gegenwart in dieser Welt.

Gott ist ein Jemand, ein personales Du. Sein Sohn wird in Jesus Christus Mensch, lebt als Mensch unter uns und eröffnet durch sein Sterben und Auferstehen den Weg zu Gott zurück. Der Heilige Geist ist die noch radikalere Nähe Gottes, ist geschenkte Beziehung: Gott wird nicht nur Mensch, er wohnt im Herzen eines jeden. „Gott ist mir näher als ich mir selber bin“ (Meister Eckart). Wenn ich also im Namen Jesu bete, dann geschieht mein Gebet bereits „in“ Gott: Er wohnt ja in mir, Sein Mensch gewordener Sohn steht mir zur Seite und vermittelt mein Gebet, Gott-Vater hört mich, weil Er sich ja immer auch selbst hört in Seinem Sohn, in Seinem Geist.

Und noch mehr: Nicht nur, dass mein Beten „in“ Gott geschieht, Gott betet auch „in“ mir!  Paulus schreibt: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Römer 8,26). In dieses Wort berge ich all mein Beten, weil es mir zeigt: Schon mein Glaubenwollen, mein Vertrauenwollen, mein Sein vor Gott sind Gebet, weil Gottes Heiliger Geist in mir lebt und für mich spricht.    

Bis morgen!
Stefan Jürgens