Mittwoch, 1. April 2020

Kleine Gebetsschule XVII: Eine Sprache finden

Gebet ist Gespräch mit dem unsagbar geheimnisvollen Gott, der sich in Jesus Christus ein für alle Mal geoffenbart hat und im Heiligen Geist unter uns wirkt. Deshalb braucht es eine angemessene, gewählte Sprache. Gemeinschaftliches Beten muss verständlich sein für Menschen; vor Gott bleibt es immer ein Stammeln (doch auch dieses hört Er gern, geduldig, liebevoll). Unser Beten muss alltäglich bleiben, ohne banal zu werden. Eine allzu modische und „coole“ Sprache ist unglaubwürdig und anbiedernd. 

Gebete im Gottesdienst müssen etwas allgemeiner gehalten sein, gerade weil die Situation der jeweiligen Gemeinde darin Raum finden soll. Allzu situative Gebete wirken sehr schnell banal, wenn die Situation gar nicht da ist; allzu aktuelle Themen sind fast immer „von gestern“. Nur wenn die Sprache etwas allgemeiner ist, kann mein Leben darin vorkommen, kann ich mich in das Gebet der Gemeinschaft hinein stellen. Das ganz Konkrete meines Lebens gehört dann in das Gebet „auf der Bettkante“

Das gemeinschaftliche Beten wird so zu einer Hinführung zum persönlichen Gebet. Im persönlichen Gebet darf es immer heißen: „Raus mit der Sprache!“ Das gemeinschaftliche Gebet muss etwas allgemeiner, von der Sprache her gewählter sein (Alltagssprache, aber nicht Jargon; aus dem Leben, aber nicht von der Straße). 

Beides – persönliches und gemeinschaftliches Beten – muss jedoch einander durchdringen. Beides ist Poesie: Das ganz einfache, spontane Gebet wie auch das gemeinschaftliche Beten. Beides ist schön, ästhetisch ansprechend, und das ist keine Frage von Intelligenz und Formulierungskunst, sondern von Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Mut. Wer mit eigenen Worten betet, trifft den richtigen Ton, weil er sich selbst vor Gott zur Sprache bringt. Da hat auch das kleinste Wort Gewicht, da macht sich niemand lächerlich. Die Unerhörtheit, mit Gott sprechen zu dürfen, hat in sich eine Würde, die sich auf die Worte legt. Eine einfache Sprache auf dem Boden des Alltags ist auf jeden Fall gewählter als große Worte, die sich künstlich zur Decke hin strecken.

Wer zu beten beginnt, verdichtet sein Leben vor Gott – und wird zum Dichter seiner und Gottes Wahrheit.

Bis morgen!
Stefan Jürgens