Dienstag, 21. April 2020

Kleine Gebetsschule XXXVI: Erwachsen werden

Durch Jesus Christus, das heißt durch Sein Leben, Seine Botschaft, Seinen Tod und Seine Auferstehung, hat Gott uns als Seine Kinder angenommen. Wir sind erlöst – Gott hat sich uns unwiderruflich geschenkt, nichts kann uns trennen von Ihm, nicht einmal der Tod. Wir sind befreit von allem religiösen Leistungsdruck: Gottes Liebe ist unverdientes Geschenk, wir müssen uns vor Ihm nicht mehr beliebt machen, uns nicht durch gut gemeinte Taten ängstlich absichern. Durch die Taufe ist uns zugesagt, dass wir jetzt schon als neue Menschen leben dürfen.

Das erste im christlichen Glauben ist also das Geschenk des neuen Lebens, das uns Gott in Jesus Christus gemacht hat. Wer sich so von Gott geliebt weiß, wird darauf antworten. Deshalb ist das zweite, dass wir dieses Geschenk im Leben sichtbar machen dürfen und sollen. Die Zusage ist: Du bist erlöst! Der Auftrag lautet: Mach durch dein Leben erfahrbar, dass Gott es gut mit uns meint!

Der christliche Glaube ist also nicht eine Zusammenstellung von Geboten und Verboten, Glaubenssätzen und Traditionen, sondern ein Leben aus der persönlichen Beziehung mit Jesus Christus. Das ist eine anspruchsvolle Angelegenheit und eigentlich nichts für Kinder. Die Familie darf die Kinder auf dem Weg eines erwachsenen Glaubens mitnehmen. Man kann dies in kindgerechter Weise tun, wenn man selber weiß, was einem der Glaube bedeutet. Sonst kann es leicht geschehen, dass auch der Glaube der Eltern zu einer Kindersache wird, die im Alltag nicht trägt.

Wenn ein Kind nicht wächst, ist es irgendwann ein Zwerg; der vielbeschworene Kinderglaube ist deshalb wohl meistens nur ein Zwergenglaube. Zeichen dieses Zwergenglaubens ist häufig die naive Vorstellung, Gott sei in einer Weise allmächtig, dass Er wundersam ins Weltgeschehen eingreift, wenn man Ihn nur herbeiruft – der Lückenbüßergott „ex machina“, der plumpe religiöse Handel um Segen und Glück. Mit Beziehung, Liebe und Freiheit hat das nichts zu tun.

Viele Menschen bleiben glaubensmäßig auf diesem Kinder- und Zwergenniveau stehen; in ihrer Beziehung zur Kirche verbleiben sie lebenslang in einer sich gegen alles und jeden auflehnenden Pubertät, die jede Autorität mitsamt den dahinterstehenden Inhalten und Traditionen unter Verdacht stellt. Der Glaube von Kindern, Zwergen und Pubertierenden ist für heranwachsende Kinder nicht interessant, weil er meistens nicht trägt; allein der erwachsene Glaube hat missionarische Kraft – auch in der Familie. Die erste Voraussetzung für ein Gebetsleben in der Familie ist also der bewusste und immer mehr erwachsen werdende Glaube der Eltern.

Morgen geht es weiter!
Stefan Jürgens